Keine Angst vor SEM-Gespenstern!

Enteignung: was steckt wirklich dahinter?

Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen werden (nicht nur in München) von betroffenen Eigentümer*innen, Bürger*innen und leider auch von manchen verantwortlichen Politiker*innen mit dem reflexhaften Argument abgelehnt: „Das kommt gar nicht in Frage, da will uns die Stadt ja enteignen!“ Mit diesem ‚Killerargument‘ und den damit verbundenen negativen Emotionen wird dann jede weitere Diskussion über die Gründe für den Einsatz dieses Instrumentes verweigert. Der Stadt werden dabei nicht selten unlautere Absichten oder gar rechtsmissbräuchliches Handeln unterstellt, als sei die Enteignung der Eigentümer das Ziel der Festlegung einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme – und nicht das letzte Mittel (ultima ratio), das nur angewendet werden darf, wenn alle kooperativen Versuche der Stadt zur Umsetzung der Ziele einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme gescheitert sind.

Ziel einer SEM ist es, in Kooperation mit den Eigentümern eine qualitativ hochwertige und koordiniert durchgeführte städtebauliche Entwicklung möglichst zügig umzusetzen. Das zeigt schon die in § 166 Abs. 3 BauGB ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit, dass Eigentümer, die die Planungsziele in angemessener Frist selbst umsetzen wollen, vom grundsätzlich in der SEM vorgesehenen Grunderwerb durch die Stadt durch eine Abwendungsvereinbarung ausgenommen werden können.

Enteignung ist als rechtstaatliches Instrument das logsiche Korrelat zur Eigentumsgarantie und Ausfluss der Sozialpflichtigkeit des Eigentums, wie sie im Artikel 14 des Grundgesetzes

und im Artikel 103 und im Artikel 159 der bayerischen Verfassung festgelegt ist.

Enteignung ist kein zweifelhaftes „Sonderrecht“ im Zusammenhang mit städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen. Ihre Möglichkeit gehört vielmehr zur normalen Grundausstattung aller Planungsgesetze, um im Konfliktfall öffentliche Planungen gegenüber einzelnen nicht kooperationsbereiten Eigentümern im Interesse des Gemeinwohls durchsetzen zu können. Der Einsatz dieses „letzten Mittels“ muss hohe Hürden der Gemeinwohlrechtfertigung überwinden und erfordert ein zeitaufwändiges Verfahren mit umfangreichen Möglichkeiten für den Eigentümer, Rechtsmittel dagegen einzulegen. Schon aus diesem Grund wird die Stadt bei der Umsetzung einer SEM einvernehmliche Lösungen anstreben, weil die rechtlichen und verfahrensmäßigen Hürden einer Enteignung hoch sind.

Das Baugesetzbuch und Fachplanungsgesetze des Bundes wie der Länder für Straßen, Schienenwege, Flughäfen, Energie- und Wasserversorgungsanlagen, Abwasser- und Abfallentsorgungsanlagen und zahlreiche andere Infrastruktureinrichtungen sehen die Möglichkeit der Enteignung gegen Entschädigung als letztes Mittel zur Durchsetzung von Gemeinwohlinteressen vor.

Auch zahlreiche Gesetze, die natürliche oder kulturelle Schutzgüter wie Natur, Wasser oder Denkmäler betreffen, enthalten zur Durchsetzung von Schutzzielen im Konfliktfall Enteignungs- und Entschädigungsvorschriften, so u.a. das Bayerische Naturschutzgesetz und das Bayerische Denkmalschutzgesetz.

Im Baugesetzbuch (§§ 85-122) werden Enteignung und Entschädigung sowie das dabei einzuhaltende Verfahren im Detail geregelt. Unabhängig vom Instrument der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme gibt es im Städtebaurecht sieben zulässige Enteignungszwecke sowohl im Geltungsbereich eines Bebauungsplans als auch im unbeplanten Innenbereich, im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung oder in Stadtumbaubereichen, zur Durchsetzung eines Baugebotes oder zur Beschaffung von Grundstücken zur Entschädigung in Land. In durch Satzung festgelegten städtebaulichen Entwicklungsbereichen ist zusätzlich „[…] eine Enteignung […] ohne Bebauungsplan zugunsten der Gemeinde oder des Entwicklungsträgers zur Erfüllung ihrer Aufgaben zulässig. Sie setzt voraus, dass der Antragsteller sich ernsthaft um den freihändigen Erwerb des Grundstücks zu angemessenen Bedingungen bemüht hat“ (§ 169 Abs. 3 BauGB).

Die langjährigen bundesweiten Erfahrungen mit einer großen Zahl von SEM zeigen, dass Enteignungen bei SEM sehr selten sind. Es liegt auf der Hand, dass die Stadt ein großes Interesse an einvernehmlichen Lösungen hat, da die rechtlichen und verfahrensmäßigen Hürden einer Enteignung hoch und diese durch Gerichtsverfahren über mehrere Instanzen auch meist sehr zeitaufwändig sind.

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